Weihnachtspredigt 1.Weihnachtstag (Knut Dahl-Ruddies) Micha 5,1-4

Ein Fest anders als gemeint.
Gefeiert und vergessen.
Genossen und verdaut.

Sich zurückgelegt und zurückgeschaut.
Besinnlich und in Stimmung gekommen.
Jahreszeitlich Besitz ergriffen.

Raum gefunden und gegeben.
Ruhe gesucht und Muße gefunden.

Eingestellt und Abgehakt?

Oder mitgenommen und ernst gemacht?
Aufgestanden und frei geworden?

Oder doch sitzen geblieben und nachgedacht?
Über den, der da gekommen ist, zu retten die Welt.
Zu heilen was zerbrochen ist.

Der krummes gerade macht und zu Ende bringt, was abgebrochen erscheint.

Nachgedacht über den, den unscheinbar begann und unspektakulär beseitigt wurde.

Über den von dem dann behauptet, und erst recht geglaubt wurde, dass er es sei, der diesen Kreislauf der Bedeutungslosigkeit durchbrochen habe und damit etwas wahrhaft Neues begonnen hat:
Etwas die Zeit ordnendes.
So ordnend, dass sie noch einmal bei Null beginnt. Dass die Zeit neu beginnt.
Dass Zeit gegeben wird zu beginnen. Bei Null.

Nun aber nicht so, dass damit alles vergeben und vergessen wäre. Nicht so, dass die Erinnerung an die vergangenen Taten Gottes abgeschrieben und erledigt zu gelten hätten.

Sondern gerade so, dass im „Alten“ nach den verweisen auf das „Kommende“ Ausschau gehalten wird.

Dabei dann fündig werden.
Freilich erst vom geglaubten Ausgang her kommend.
Andernfalls bleibt der Blick verschlossen,
besteht kein Ausblick auf den aus Bethlehem kommenden und in der Krippe liegenden.

Bestenfalls kommt es zum Anblick, zum Schauen, nicht zum Glauben.

Glaubende aber kommen und erblicken in dem Kind in der Krippe den, der einst Israel verheißen war.
Erblicken den, der aus dem kleinen, unbedeutenden Bethlehem kommt. Dessen alter Name „Ephrata“ –„fruchtbar“ bedeutet.

Aus dem fruchtbaren Ephrata kommt der, der Erlösung und Frieden mit Gott bringt.
Er kommt aus der Stadt, die Heimat des Königs David ist. In der sein Urgroßvater Boas seine Urgroßmutter Ruth geheiratet hat.
Hier hatte ihn sein Vater Isai aufs Feld geschickt um Schafe zu hüten.
Hier hatte ihn der Prophet Samuel zum König gesalbt.
Aus dem Königsgeschlecht Davids soll der Messias kommen.
Aber dieses Königshaus hat seine Wurzel gar nicht königlich sondern in einem unbedeutenden Nest, über das bis heute gepredigt und erzählt wird.

So kommt Gott -wird da aufs neue erzählt- so kommt Gott aus einfachen Verhältnissen, niedrig, arm, gering.
Und in dieser Niedrigkeit sperrt er sich gegen Reichtum, Macht und Stärke.
Sperrt sich gegen Vereinnahmung und Besserwisserei.

Im Kommen des kleinen Kindes feiert die Christenheit die Erfüllung der Verheißung an Israel, dass einer kommen wird dieses kleine Volk von der Unterdrückung wirklich mächtiger Könige und Herrscher zu befreien.

Dabei wird er Recht und Gerechtigkeit schaffen, denen, die nicht für sich selbst sorgen können.
Er wird Gemeinschaftstreue verwirklichen, die über Solidarität weit hinaus geht.

Er wird nicht Leistungsbereitschaft und Qualifikation von denen einfordern, die dazu nicht in der Lage sind.
Er wird aber die zur Rechenschaft ziehen, die sich der Gemeinschaftstreue widersetzten oder versuchen sich ihr durch Geschicklichkeit zu entziehen.

Er wird schon polarisieren. Er wird es nicht jedem recht machen.
Im Gegenteil, er wird jeden vor die Entscheidung stellen und bei seiner Entscheidung auch behaften.

Aber er wird so herrschen, das alle im Lande sicher wohnen können und sich keiner mehr vor Anschlägen fürchten muss.
Er wird den Frieden nicht bringen.
Er wird selbst dieser Friede sein!

Was für die einen nach ausweichender Rhetorik klingt, ist für die anderen Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens.

Wie, so fragen Christen, soll man in einer Welt leben, die nie Pause hat -sich auch nie Pause gönnt), die sich auf Dominanz und Erfolg etwas einbildet und die zu spät kommenden gnadenlos bestraft?

Wie, so fragen Christen soll man vertrauen finden können, wenn hinter jeder Ecke der vermeintliche Nutzen den letzten Ausschlag gibt
und die Nutzlosen noch nicht mal mehr geduldet, sondern gar mit Füßen getreten werden.

Wie, so fragen Christen, soll man in einer Welt leben, in denen diejenigen die Werte festlegen, die auschließlich der von ihnen selbst defineirten Norm entspringen?

Wie soll man in einer Welt leben, die es sich zum Ziel gemacht um jeden Preis gewinnen zu müssen, selbst wenn immer mehr offensichtlich wird, dass das nicht gut ausgehen kann.

Nichts ist gut! Sagen dieselben Menschen.

Nichts ist gut?
Und das an Weihnachten?

Ja, wenn wir die Bereiche unseres eigenen Lebens, des Lebens der Weltgemeinschaft, und des Lebens unseres Planeten ansehen, dann kann man das mit Sicherheit so bewerten. Und Generationen vor uns haben das aus ihrer Sicht und mit ihren Problemen ebenso bewertet.

Und genau diese Sicht braucht es auch um zu ermessen, welche Wucht hinter der Weihnachtbotschaft steckt, dass Jesus diesen Frieden nicht nur bringen will, sondern, dass mit ihm und in seiner Person Frieden bereits Wirklichkeit geworden ist.

Es ist nicht ein leises Friedenslüftchen, dass da unscheinbar und klein zwar begonnen, aus dem dann aber leider nichts geworden ist.

Nein mit der Geburt, mit dem zur Welt Kommen Gottes, setzt sich der Wille Gottes fort, der von Anbeginn der Welt an so auf die Welt geschaut hat, dass gesagt werden konnte: „Und siehe es war gut!“

Dies „siehe es war gut“ durchzieht die Geschichte Gottes mit den Menschen von den Vätern Israels bis zum beginnenden Königtum.
Aus dem dann der Sproß Isais als Frieden Gottes Wirklichkeit wird.

Ja der Friede, ist in Jesus Christus Wirklichkeit geworden.
Er ist wirklich geworden, auch wenn nicht alle Menschen diese Wirklichkeit zu erkennen in der Lage sind.

Das ist nicht ihre Schuld. Das ist überhaupt nicht Schuld, das ist schlichtweg unerklärlich.

Und doch breitet sich diese Unerklärlichkeit weiter aus oder artikuliert sich vielleicht einfach nur lauter als in der Vergangenheit.
Die Deutungshoheit und ein Monopol auf „Sinnhaftigkeit“ haben wir als Kirche schon seit längerem verloren.

Jedenfalls wird sich die Weihnachtsbotschaft immer auch dem Spott und dem Verdacht aussetzen müssen, Christen wollten sich über den wahren Zustand der Welt hinwegtrösten.

Aber genau darin liegt die Differenz:
In der Betrachtungsweise.
Oder wir könnten auch sagen im „Glauben“.

Darin liegt der Unterschied:
Ob ich aus dieser weihnachtlichen Friedensbotschaft mein Leben leben kann, und zwar in der Gewissheit, dass Frieden wirklich ist!

Oder ob ich das für die Deutung meines Lebens für unerheblich halte.

Christen täten gut daran von dieser ihrer Gewissheit zu erzählen und die Zuversicht, die sich daraus ergibt, erlebbar zu machen.
Sie wären aber schlecht beraten ihre Gewissheit als „Norm“ und sei es auch als „Glaubensnorm“ zu proklamieren.

Denn machtvoll kommt die Weihnachtsbotschaft nicht daher.
Sie wirbt eher um Vertrauen.
Sie lädt ein zum Glauben.
Gerade weil sich die Wahrheit des Glaubens im Lebensvollzug erweist und nicht einer lauten Proklamation bedarf, ist die Weihnachtbotschaft eine werbende.

Das haben die Werbemacher unserer Tage immerhin entdeckt, dass sich an Weihnachten Werbung lohnt.

An Weihnachten wirbt Gott um unser Vertrauen.
Damit wir erkennen: das Friede schon ist!

Und er wirbt darum, dass Friede um seinetwillen auch sein soll.

Er wirbt um unser Vertrauen angesichts einer friedlosen Welt.
AMEN.

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